Die Klosterkirche
Ursprünglich sollte die Klosterkirche, deren Bau um 1275 begonnen wurde, drei durch Arkaden miteinander verbundene Schiffe erhalten. Doch nach Fertigstellung der Arkadenbögen änderte man den Plan und errichtete im späten 13. Jahrhundert eine einschiffige Saalkirche, wie sie für norddeutsche Frauenklöster typisch ist.
An keiner Stelle wird diese ungewöhnliche Baugeschichte der Klosterkirche so deutlich wie an der im Eingangsbereich freiliegenden mittelalterlichen Umfassungswand, denn alle anderen Wandflächen wurden im 19. Jahrhundert im „gotischen Stil“ verkleidet.
Sichtbar blieb diese ältere Wand, weil sie bis 1946 von dem hier anschließenden Klausurgebäude verdeckt wurde, dessen einstigen Dachansatz man noch über dem Glasdach an der Kirchenfassade erkennen kann.
Schaut man sich die beiden vermauerten Spitzbögen genauer an, sieht man an den dazugehörigen Kämpfern noch die Reste eines aufwendig gestalteten Kämpferfrieses mit Rankendekor, der aus großen Backsteinelementen zusammengesetzt worden ist. Solche in der Mark Brandenburg an verschiedenen Ordensbauten auftretenden großen Reliefformsteine aus Backstein sind für diese Zeit in Mecklenburg selten und kommen nur noch an der Stiftskirche in Bützow und einigen Dorfkirchen im dazugehörigen Umland vor.
Das hochgelegene – heute vermauerte – spitzbogige Portal in der Südwand der Dobbertiner Klosterkirche führte vom Schlafsaal (Dormitorium), auf die Nonnenempore.
Die schnelle Verbindung von Schlafsaal und Nonnenempore in der Kirche war notwendig, da die regelmäßig über den Tag verteilten Gebetszeiten bereits in aller Frühe des Tages begannen.
Wenn wir die Kirche vom Kreuzgang aus betreten, befinden wir uns direkt unter der mittelalterlichen Nonnenempore. Anders als bei einem Männerkloster stand das Chorgestühl der Frauen nicht im Chor, sondern auf einer Empore.
Monolithische Säulen aus Granit tragen die größtenteils noch originalen mittelalterlichen Kreuzrippengewölbe der Empore. Sie wurden erst im späten 14. oder frühen 15. Jahrhundert in den Kirchenbau eingefügt, obwohl sie Untersuchungen zufolge bereits von Anfang an geplant waren.
Diese zweischiffige Unterkirche diente vor allem Laien, das heißt Kirchenbesuchern, die keine Weihen eines Klerikers besaßen. Auf der Empore über den Gewölben war das mittelalterliche Chorgestühl der Nonnen aufgestellt. Hier versammelte sich der Frauenkonvent zu den acht Gebetszeiten des Tages. Dabei betete und sang man über die Woche verteilt eine feste Auswahl von Psalmen und anderen Bibeltexten oder auch verschiedene Hymnen. Das morgendliche Stundengebet, die Laudes oder Lobpreisungen, fanden bereits in aller Frühe des Tages statt. Die einzelnen Stundengebete waren bestimmten Inhalten gewidmet, so beschäftigte sich die gegen 8 Uhr stattfindende Terz beispielsweise mit dem Gedenken an die Aussendung des Heiligen Geistes, die gegen 14 Uhr angesetzte Non war dem Gedächtnis des Todes Jesu am Kreuz vorbehalten.
Zwischen 1853 und 1857 wurde der Innenraum der Kirche unter dem Wismarer Baumeister Thormann erneuert und mit neogotischen Wandblenden versehen, wobei auch die polygonal eingezogene Brüstung der Empore entstand. Ursprünglich war der Kirchenraum etwas einfacher gestaltet. Nur die figürlichen Gewölbekonsolen stammen Untersuchungen zufolge noch aus dem Mittelalter. Die Ausmalung des Raumes, die Orgel, die Kanzel und die Standfiguren der Apostel entstanden ebenfalls im 19. Jahrhundert. 1857 ist der Altaraufsatz ausgeführt und mit Bildern des herzoglichen Hofmalers Gaston Lenthe versehen worden. In Anlehnung an mittelalterliche Altartafeln stellen sie eine Kreuzigung und verschiedene Heilige vor reichem Goldgrund dar. Die Predella (Unterbau des Altaraufsatzes) schuf der Maler Gustav Stever.
Besonders prächtig sind die farbigen Glasfenster aus dieser Zeit. Sie zeigen als Gegenstück zur Kreuzigung im mittleren Fenster die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi wiederum nach einem Entwurf von Gaston Lenthe. Die Seitenfenster wurden nach dem Entwurf von Gustav Stever geschaffen: links Abraham und Moses, David und Elias aus dem alten Testament, rechts Petrus und Paulus aus dem Neuen Testament sowie der Kirchenvater Augustinus und schließlich Martin Luther.
Über die Anschaffung der beiden großen Radleuchter durch den Klosterhauptmann im Jahr 1887 berichtete die Stiftsdame Jeanette von Bülow: „Die Kronleuchter waren Untiere an Hässlichkeit und so schwer, daß das ganze Kirchengewölbe dabei einstürzen würde. Es sollten in jedem Stück die 12 goldenen Tore vom künftigen Jerusalem dargestellt werden, aber diese Tore waren nicht golden, sondern ganz schwarz…, und es sind nur 8 Tore, so daß alle Besucher, die es sehen, lachen und sagen: wir haben nur 8 Tore.“ QuelleJeanette von Bülow über Mathilde von Rohr, in: Theodor Fontane, Sie hatte nur Liebe und Güte für mich, Briefe an Mathilde von Rohr, Berlin 2000, S. 369.
Ursprünglich besaß die Klosterkirche keinen richtigen Glockenturm, sondern hatte – wie für die Kirche eines Frauenklosters in dieser Zeit üblich – nur einen kleinen Dachreiter. Spätestens 1729 wurde er abgebrochen und in den folgenden Jahren durch einen richtigen Glockenturm ersetzt. Doch dieser genügte im 19. Jahrhundert nicht mehr den repräsentativen Ansprüchen des Stiftes. Nach dem Schinkel erste Zeichnungen für eine Doppelturmfassade nach dem Vorbild der Friedrichwerderschen Kirche in Berlin geliefert hatte, wurde Georg Adolph Demmler 1827 mit der Ausführung des Turmes betraut.
Die Bauarbeiten an der Klosterkirche, die 1827 mit der Errichtung des Turmes begannen, dauerten dreißig Jahre an, bis die Kirche im Jahr 1857 feierlich eingeweiht werden konnte. Wie schon der Turm bezieht sich auch die Umgestaltung des Kirchenschiffs auf Schinkels Fiedrichwerdersche Kirche in Berlin, die als einer der ersten deutschen Kirchenbauten der Neogotik gilt. Das ist kein Zufall, denn der Baumeister Georg Adolph Demmler war an der Berliner Bauakademie nicht nur ein Schüler von Karl Friedrich Schinkel, sondern er begann die Bauarbeiten am Turm nach dessen Entwürfen. Während Demmler den Umbau von 1827 bis 1851 betreute, arbeitete der Dobbertiner Klostermaurermeister Retzlaff bis zur Fertigstellung 1857 an der Kirche. Die gesamten Umbauarbeiten wurden nicht nur sehr sorgfältig von ihm durchgeführt, es erstaunt die hohe Qualität der zahlreichen speziell angefertigten Formsteinelemente aus Terrakotta. Ein Teil davon musste jedoch bei der letzten Sanierung zwischen 1995 und 2006 erneuert werden.